Filmkritik zum Film Samsara



Der Film Samsara versteht sich als Kritik an der Moderne, zeigt dabei aber nur Bilder ohne diese in irgendeiner Form zu kommentieren. Künstlerisch beschreitet der Film mit seiner gekonnten Mischung aus schönen und teilweise grausigen Bildern Neuland, doch muß sich der Zuschauer trotz oder gerade aufgrund seiner Wortlosigkeit einer kritischen Reflexion stellen. Was der Film zu Beginn sehr gut leistet, ist die Frage nach den Hinterlassenschaften der modernen Zivilisation aufzuwerfen, indem er sowohl Kulturbauten von Völkern vergangener Epochen, oder was davon die Zeit überdauert hat, Verwüstungen in modernen Zweckbauten bzw. dem Vordringen der Wüste in ein ehemaliges Wohnhaus gegenüberstellt. Der Film zeigt daneben stets auch eindrucksvolle Bilder von der Natur und religiösen Einrichtungen und Bauten von einst und jetzt, die den Betrachter an das Schöne erinnern sollen. Der Film geht dazu über die Auswüchse der Moderne in Bildern zu präsentieren, wie u.a. Megastädte, Massenproduktion, die Agrarindustrie und die Bewaffnung der modernen Welt. Dabei stellt der Film auch die Moderne und die Menschen in der Moderne traditionellen Völkern, wie sie heute u.a. noch in Afrika leben gegenüber. Hier greift jedoch die Kritikleistung des Filmes eindeutig zu kurz. Zum Teil werden Sachverhalte falsch dargestellt, wie u.a. zuerste eine Auswahl an Stammesvölkern und danach alljene bewaffnet mit modernen Waffen. Das stimmt nicht mit der Realität überein. Viele dieser Völker legen sehr großen Wert auf ihre Eigenständigkeit, ihre Kultur und ihre Werte und lehnen nicht nur die Benutzung moderner Waffen sondern manche sogar auch von Eisengegenständen oder anderen Dingen ab. Die Technik wie wir sie heute kennen ist nichts, das über den Menschen hereingebrochen ist, sondern etwas das die Machtstrukturen, die hinter der Moderne stehen, wie wir sie kennen, proaktiv entwickelt haben. Der Autor dieser Kritik unterstützt die Meinung nicht, daß alles was möglich ist auch entwickellt und eingesetzt wird. Die Kernwissenschaftler rund um Werner Heisenberg haben sich unter den Nazis beispielsweise gegen die Entwicklung der Atombombe gesperrt; indirekt mit Unwegbarkeitsbegründungen dem Führer nahelegend doch lieber in die V-Waffe zu investieren (unbemannte Lenkflugkörper; Raketentechnik wie von den Alliierten übernommen). Ein klassisches Beispiel für Technologien, die aus politischen Gründen lange Zeit nicht entwickelt worden sind, sind zweifelsohne die Alternativenergien, denn die großen Energieerzeuger fürchteten ihr Macht- und Einkommensmonopol an kleinere Anbieter zu verlieren. Deren Entwicklung war eine politische Entscheidung. Der Film verfehlt es die hinter der Moderne liegenden Machtstrukturen aufzugreifen, sei es durch das Zeigen von Symbolen oder den Machtzentren der Moderne. Auch der moderne Überwachungsstaat, der im wesentlichen ein Auswuchs einer immer paranoider werdenden Führungsriege ist, wird nicht thematisiert.

Der Film scheint mit seinen Demonstrationen kirlicher Bauten als Sinnbild für das Schöne in der Religion einen Ausweg zu finden. Der moderne Mensch wird dabei als gleich primitiv wie die Steinzeitmenschen dargestellt. Eine solche Sichtweise verkennt aber die Realität und greift in seiner Kritik zu kurz. Die Völker der Steinzeit, deren Nachkommen u.a. noch immer unsere verbliebenen Urwälder bevölkern, sind keineswegs „gottlose“ Barbaren ohne feste Glaubensvorstellungen. Die Möglichkeit, die Urwälder niederzubrennen hat der Mensch seitdem er das Feuer kennt. Trotzdem würde kein einziger von Ihnen nur auf die Idee kommen die Wälder für mehr Ackergrund niederzubrennen (die Amazonasvölker leben entgegen der Mehrheitsmeinung bei uns etwa nicht hauptsächlich von Jagd und Sammeln sondern vom Anbau von Maniok.). So verschieden deren Glaubensvorstellungen im Detail auch anmuten mögen, sie alle glauben an eine beseelte Natur, der sie kein Leid zufügen wollen, wohl auch deshalb weil ihnen klar ist, daß sie sich damit selbst schaden würden. Was hat nun unser allmächtiges und moralisch überlegenes Christentum dazu zu sagen? Tiere haben keine Seele. Machet euch die Erde untertan? Das kann niemand leugnen.

Die Moderne ist im Zeitalter der Entdeckungen entstanden, als die Europäer mit ihren mittelalterlichen Glaubensvorstellungen auf Steinzeitvölker getroffen sind, die aber scheinbar keineswegs unglücklicher waren als die von Leibeigenschaft, Pest, Glaubenskriegen, Inquisition und marodierenden Rittern über eine ganze Epoche geplagten Europäer. Man sah in der Ferne das Paradies, freiab von den strikten Glaubensvorstellungen daheim, die man damit infrage stellte. Schließlich erinnerte man sich an die Antike, deren letzte Schriftwerke still hinter dicken Klostermauern endgelagert waren und begann diese wieder hervorzuholen (zumindest jene die Zeit und Glaubensattacken wie gegen die Biliothek von Alexandria überstanden hatten). Die Wiedergeburt der Antike war eingeläutet und mit damit der Beginn der Moderne. Nun; ohne daß wir einige Glaubensvorstellungen über Bord geworfen hätten und ohne daß Menschen bereit waren ihr Leben dafür zu geben, könnte es die Welt wie wir sie heute kennen nicht geben. Können wir dennoch in der Religion nach Antworten auf die brennenden Probleme der Gegenwart finden? Der Autor meint nein; was die Ausbeutung und Zerstörung unserer Umwelt betrifft, greift das Christentum eindeutig zu kurz. Kann es aber wenigstens eine Antwort auf die sozialen Probleme unserer Zeit finden? Das ist zweifelhaft. Das Christentum gibt den Armen zwar Recht, weshalb sich auch seine Beliebtheit erklärt; doch scheinbar gibt es der Gegenseite auch Recht. Unsere Wirtschaftsgranden geben sich auch nach innen und außen hin als überzeugte Christen („Pilgern und Kraft tanken, etc.“), denn sie sehen die bestehende Ordnung als gottgegeben und ihren frivolen Gehalt als gerechte Entlohnung für ihren Ehrgeiz und Fleiß. Selbst George Bush gab sich als überzeugter Christ, der täglich um „Weisheit“ betete im selben Augenblick aber religiös gefärbte Brandreden zum besten gab. Vielleicht liegt ja die Lösung für die Probleme der Moderne in ihrem Ursprung. Wer nach einer Gegenkonstruktion zu unserer Gesellschaft sucht, sollte die Glaubensvorstellungen noch traditionell Lebender ursprünglicher Völker vor dem Wissensstand des 21.Jahrhunderts reflektieren.